(30. April 2020 vor dem Sonntag des guten Hirten)
Spätestens seit dem 17. März sind die Gläubigen angehalten, anstelle der Gottesdienste in der Kirche das Gebet zu hause zu pflegen. Die Besinnung angesichts des Lockdowns, die Lektüre der Heiligen Schrift oder auch das Rosenkranzgebet, all das ist zweifellos wertvoll. Jesus schenkt auch seine Gegenwart, wenn zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind. Die christliche Pflicht, den Glauben im Alltag zu leben, durch tätige Nächstenliebe, die derzeit gerade auch durch Nachbarschaftshilfe umgesetzt wird, gilt unter allen Umständen, ob mit oder ohne Lockdown.
Allerdings können wir uns damit allein nicht abfinden. Das II. Vatikanum hat die Eucharistie als „Quelle und Höhepunkt des christlichen Lebens“ bezeichnet. Bildlich gesprochen: Die Schafe werden derzeit nicht zur Quelle gelassen, während die Hirten in leeren Kirchen das Gedächtnis des Todes und der Auferstehung des Herrn zusammen mit maximal fünf Personen feiern. In manchen Kirchen gab es Polizeikontrollen. In einem Fall musste eine Ermahnung ausgesprochen werden, als in einer Kirche mit 260 Plätzen für einmal eine Person zu viel anwesend war. Von daher gesehen ist es überhaupt nicht nachvollziehbar, als unlängst ein Redaktor des kirchlichen Medienzentrums für mehr Gelassenheit, statt Schutzkonzepte in kirchlichen Räumen plädierte, oder ein Pastoraltheologe für „liturgischen Verzicht als solidarisches Zeichen“ mit den geschlossenen Gastrobetrieben eintrat. Sie wollen offenbar nicht zur Kenntnis nehmen, dass der Kirchen-Lockdown spätestens seit Baumärkte geöffnet sind, dem juristischen Grundsatz der Verhältnismässigkeit widerspricht. Das gilt erst recht ab dem 11. Mai 2020, wenn Restaurants wieder Gäste bewirten. Laut Art. 7 des Epidemiengesetzes hat der Bundesrat die Kompetenz, die „notwendigen Massnahmen“ anzuordnen. Die Bischofskonferenz hat am 27. April ein Schutzkonzept veröffentlicht. Damit wird dem Anliegen der Prävention und der Gesundheit der Kirchenbesucher Rechnung getragen. Es ist überhaupt kein Problem, dieses Schutzkonzept bereits auf den 11. Mai oder schon vorher umzusetzen. Es darf nicht sein, dass weiterhin die 5er-Regel gilt und wir bis am 27. Mai warten müssen, bis wir genaueres über die Lockerung ab dem 8. Juni erfahren. Wir müssen in den Pfarreien Planungssicherheit haben. Die 5er-Regel immer noch aufrecht zu erhalten ist nicht notwendig und widerspricht dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Daher ruft der Churer Priesterkreis, dem derzeit 45 eingetragene Mitglieder sowie rund 70 Sympathisanten angehören, den Bundesrat im Sinne von Art. 40 Abs. 3 des Epidemiengesetzes zu einer umgehenden Lockerung der derzeit geltenden Massnahmen und zur Anerkennung des Schutzkonzeptes der Bischofskonferenz auf.
Kan. Franz Imhof, Präses und Kan. Dr. Roland Graf, Sekretär